Tom und Locke - eine Einleitung

Wer sich eingehender mit dem Œuvre von Vielschreiber Stefan Wolf befasst, der wird auch irgendwann auf Tom und Locke stoßen. Parallelen zu TKKG findet man haufenweise, trotzdem handelt es sich bei der Serie um eine eigenständige, zum Großteil auch inhaltlich qualitativ höherwertige, Jugendbuchreihe die bei Pelikan verlegt wurde und deren Hörspieladaptionen von Europa produziert wurden. Insgesamt erschienen 12 Hörspiele bei Europa, später erschienen nochmals Neuauflagen der ersten 3 Folgen bei Karussell, allerdings mit einem völlig neuen (grauenhaften) Artwork und einer komplett neuen Bearbeitung. Rein optisch folgen Tom und Locke dem TKKG-Prinzip, das graphische Prinzip ist bei beiden gleich, allerdings sind die Cover in einem rotbraunen Farbton gehalten.

Die Illustrationen sind von Rainer Stolte, das Logo, eine Telefonschnur mit Hörer, stilisiert bei den Hörspielhüllen nur Lockes Namen, auf den Büchern hingegen ist zusätzlich noch das Konterfei unserer beider Helden abgebildet. Allein die äußerliche Gestaltung brachte wohl so manchen TKKG Fan auf den Geschmack, zumal die Hörspiele in gewohnter Europa Qualität dem Hörer und der Hörerin Freude bereiten. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß Tim/Tarzan Sprecher Sascha Draeger auch die Rolle des Tom sprach. Ähnlichkeiten über Ähnlichkeiten, ist man jetzt versucht zu sagen. Ja, und doch wieder nein, möchte ich da sagen. Meiner Ansicht nach wurden bei Tom und Locke viele gute Motive aufgegriffen, die auch, aber wesentlich schlechter, bei TKKG umgesetzt wurden. Auffälligster Unterschied ist wohl die fehlende Gruppenkonstellation, hier löst ein 15 und 16 Jahre altes Duo seine Fälle mit Köpfchen, Zufall und natürlich auch Körpereinsatz.
Wie Tim/Tarzan ist Tom athletischer Karatekämpfer, Einzelkind und Halbwaise, auf der anderen Seite ist er älter, blond und nennt einen Motorroller sein eigen. Sein eigentlicher Name ist Engelbert Conradi. Tom verfügt über die Fähigkeit des Lippenlesens, außerdem hat er ein grünes und ein blaues Auge. Konflikte löst er -wie Tim- meistens mit seinen Kampfkünsten, allerdings ist er dabei weniger aufbrausend und anmaßend. Natürlich sind auch seine Leistungen und sein Gebahren für einen Teenager unrealistisch, aber letztendlich wirkt er weniger machohaft und somit sympathischer.

Die zweite Hauptperson ist Nina Rehm, genannt Locke, obwohl sie gar keine Locken hat. Natürlich ist sie hübsch und verdreht den Jungs den Kopf, soweit hat sie schon Ähnlichkeit mit Gabi Glockner. Ansonsten ist sie wohltuend anders charakterisiert. Äußerlich unterscheidet sie sich durch ihr dunkles Haar und ihre Vorliebe für Strohhüte, sie besitzt auch keinen Cockerspaniel, sondern eine Hausmaus, die Mausi heißt. Locke ist ein völlig anderer Typ als Gabi, Wolf verzichtete darauf, ihr ein zerbrechliches Püppchen Image anzudichten. Wenn Locke aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt oder belächelt wird, dann reagiert sie schlagfertig und rebellisch, sie lässt sich niemals in das Klischee vom hilflosen Blondchen pressen, wie das so oft bei TKKG geschieht. Besonderes Vergnügen bereitet ihr Umgang mit ihrem Freund Tom, mit ihren zahllosen Sticheleien nimmt sie eventuellen Machoallüren ihres Freundes den Wind aus den Segeln, somit ist sie im Grunde der Kopf des Duos. Eine ideale Vertreterin des deutschen Fräuleinwunders! Das Verhältnis Tom-Nina ist von sehr viel eindeutigerer Zuneigung geprägt als bei TKKG , die Dialoge sind teilweise latent erotisch, dieser Umstand macht die beiden sehr viel glaubhafter. Glaubhafter jedenfalls als das Gabi-rühr-mich-nicht-an-Tarzan-Edelmann-Verhältnis. Ebenfalls positiv ist, das Wolf klischeehaften Füllelementen, wie dem schokofressenden Trampel und dem vergeistigten Fachidioten ,keine Chance gibt.

Weitere Protagonisten sind Lockes Bruder Mike, Oma Rehm, Vater Gunter Rehm und Mama Helga Conradi, ein besonders hübsches Gimmick ist, daß alle hier genannten Figuren sich in der Erzählerrolle des jeweiligen Hörspiels abwechseln. Das Tom und Locke Universum wird noch durch den Boxermischling Nicki und die Haushälterin Luise komplettiert, letztere tritt bei den Hörspielen nicht in Erscheinung. Tom und Nina wachsen bei alleinerziehenden Elternteilen auf, Tom bei seiner Mutter und Tierärztin Helga, Locke und ihr Bruder Mike leben bei ihrem Vater Gunter, der als Journalist seine Brötchen verdient. Toms Vater verstarb früh, Ninas Mutter hat sich aus dem Staub gemacht. An Harmonie mangelt es dennoch nicht, Mutter Helga und Vater Gunter haben ein Liebesverhältnis. Als Lokalreporter hat Papa Rehm immer sein Ohr am Puls der Zeit uns so assistiert er oft bei den Kriminalfällen unserer zwei Helden.

Die Handlungen der Serie spiegeln das Zeitgeschehen der 80er Jahre wieder, Themen wie illegale Leiharbeiter, Schutzgelderpressung und Tierversuche werden hervorragend umgesetzt und differenziert dargestellt. Resümierend möchte ich sagen, das die 12 Tom und Locke Hörspiele um einiges besser sind als das Gros ihrer wohl beliebteren Schwesterserie TKKG. Die geneigte Fangemeinde wird sich jetzt vielleicht fragen, wo sie denn Tom und Locke Hörspiele bekommen kann. Auf dem Flohmarkt oder in einschlägigen Geschäften kann man die Folgen finden, die Preise liegen leider deftig über den damaligen Neupreisen, schuld daran sind die Hörspielpreislisten und die rege Nachfrage nach alten Europa-Produktionen. Wer nur mal reinhören will, muß mit sich selber abmachen, ober auf Mp3 zurückgreifen will. Ich finds nicht schlimm, zumal die Serie sowieso nicht mehr produziert wird. Viel Spaß beim reinhören und lesen!
[tim]